Johanniskirche

Die Hauptpfarr- und Ratskirche St. Johannis

Johanniskirche und Alter Markt vom Breiten Weg aus gesehen

In einem der interessanten Hefte des Stadtplanungsamtes zur Stadtgeschichte schreibt Hans-Joachim Krenzke:

Während sich um Pfalz und Dom das Regierungsviertel des Erzbistums samt entsprechender Begräbnisstätten etabliert, wächst im Schutze der Markgrafenburg die Siedlung der Kaufleute heran. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Alten Markt wird bereits um 936 eine Pfarrkirche errichtet. Diese, zumindest aber ein Nachfolgebau, wird in der Chronik, des Thietmar von Merseburg erwähnt. 1170 wird jene Volks und Marktkirche plebeia ecclesia, ecclesia mercatorum dem Schutze des Evangelisten Johannes anempfohlen, wobei sich die Lautverschiebung Johannis einbürgern wird. Das in der Karfreitagsnacht des Jahres 1207 auf dem Breiten Weg ausbrechende Großfeuer, zieht möglicherweise auch die Johanniskirche in Mitleidenschaft. Als 1208 deren Wiederaufbau beginnt, wird dieser zu einem Wettstreit mit den Männern der Domhütte. Johanniskirche wie dazugehöriger Kirchhof gehören zu den bedeutenden Begräbnisstätten Magdeburgs. Bereits 1164 ist urkundlich von einem „prope cimiterium beati Johannis evangeliste“ die Rede. (Urkundenbuch des Kloster Unser Lieben Frauen, Nr. 32, Halle, 1878)

Die Johanniskirche selber immer wieder von Feuer und Kriegseinwirkungen heimgesucht ist Grablege für hochgestellte Persönlichkeiten der Stadt gewesen. Die Annalen Magdeburgs verweisen in diesem Zusammenhang des öfteren auf „die engen Beziehungen von Rathaus und Hauptpfarr und Ratskirche“ hin.

(Hans-Joachim Krenzke, Magdeburger Friedhöfe und Begräbnisstätten, Landeshauptstadt Magdeburg, Stadtplanungsamt Magdeburg 60/1998, S. 41 ff; im Folgenden wird dieser Text ohne Nachweis teilweise modifiziert verarbeitet)

Grabtafeln der Familie Alemann

Durch glückliche Umstände ist am Westwerk der Johanniskirche, und zwar zur Linken der Vorhalle, ein Grabstein erhalten geblieben. Das künstlerisch bestechende Renaissance Epitaph schon 1931 weitgehend zerstört, wie Alfred Frantz 1931 in seinem Buch „St. Johannis die Hauptpfarr- und Ratskirche der Stadt Magdeburg“ berichtet:

Oberteil des zerstörten Epitaphs an der Frontseite der Johanniskirche mit dem Wappen der Familien Alemann (links) und Robin (rechts) (Foto D. v. Alemann)

Pfarrer Frantz beschreibt die Grabtafel so:

Das Denkmal zeigt im Giebeldreieck Gottvater von Wolken umgeben. Darunter steht die Inschrrift „Sive vivimus sive morimur sumus“ [Ob wir leben oder sterben]. In dem großen quadratischen Mittelstück ragt ein Baum, an dessen Wurzel ein (geöffneter) viereckiger Steinsarg steht, auf dem eine Gestalt sitzt. Rechts davon steht Jesus, links Johannes, der mit dem Finger auf den Heiland weist. Links oben ist das erste Menschenpaar unter dem Lebensbaum dargestellt, rechts das Kreuz mit dem Kruzifixus (also Sünde, Tod – Erlösung, ewiges Leben). Unten bildet den Abschluss eine Tafel mit verwitterter Inschrift. Pfarrer Kettner an St. Johannis hat sie noch 1727 gelesen und also überliefert:

„Johannes Alemanus Mauricii filius Reipubl. Magdeb. consul demum Praetor unacum liberis affinibus et cognatis hic recubans gloriosum Christi salvatoris adventum exspectat, placide in domino defunctus 6. December anno 1607.“
(Johann Alemann, Sohn von Moritz (in der Genealogie: Hans Moritz), Bürgermeister von Magdeburg, zuletzt Schultheiß – hier ruhend vereint mit Kindern, Freunden und Verwandten – erwartet die Ankunft des Erlösers Christus, starb sanft im Herrn am 6. Dezember 1607.)

Und daneben stand geschrieben:

„Anna Robina Alemani conjux 6. Sept. anno Christi 1607 pie obiit. Parentibus suavissimis atque optime meritis memoriale hoc poni curabat filius senior Jacobus Alemannus J.U.D. Scabina magedeb. assessor.“
(Anna Rubin, des Alemann´ Gattin, starb sanft 9. September a.C. 1607. Den liebevollsten und bestverdienten Eltern ließ diesen Denkstein setzen der ältere Sohn Jakob Alemann Doktor beider Rechte (juris utrisque doctor), des Magdeburger Schöffenstuhls Beisitzer.) (S. 38f)

Zustand nach einem Foto, das im Buch von Pfarrer Frantz (1931) veröffentlicht wurde (S.40)

Auch an der Südseite der Kirchenaußenwand von St. Johannis ist der Rest eines gleichfalls interessanten Grabsteins zu sehen.

„Alles ist völlig zerwettert bis auf das Wappen im Unterteil. Es trägt die Insignien der Familie FRICKE. Eine alte Urkunde sagt, daß der Stein dem Peter Fricke gesetzt war, der im Jahre 1575 starb. Da treffen wir also das alte Patriziergeschlecht der Fricke in der Johannisgemeinde. Wir wissen, daß die Frickes sehr aktive Freunde der Luthersache waren.

Unter dem Fricke Stein findet sich recht gut erhalten ein Grabstein, der ein kleines Kind in langem Sterbekleid zeigt. Wunderlich passen zu dem Kindergesicht die gravitätische Halskrause und die Mütze. Ein erhöhtes Profil umschließt die kleine Gestalt. Zwei Wappen füllen links und rechts die Ecken oben. Das rechte ist wieder das Frickesche, das linke das der Alemanns. Unten trägt eine schmale Rollwerkkartusche die leidlich gut erhaltene Inschrift: ‚

„Thomas Alemann … a. o. seines Alters 15 Wochen 1 Tag t 94“ (1594).

Es ist die älteste aus bürgerlichen Altstadtkreisen stammende figürliche Darstellung auf einer Sepulkralskulptur. Es handelt sich um den Enkel jenes Peter Fricke, den kleinen Thomas Alemann. Wir wissen daß der Großvater, der Bürgermeister Thomas Alemann, sein Haus in dem heutigen „Artushof“ hatte. (Frantz, a.a.O.)

Die beiden Epitaphe (Fricke und Thomas Alemann) vor der Restaurierung und Verlegung ins Kircheninnere

Dieser Kinderepitaph ist mit Unterstützung der von Alemann’schen Stiftung jetzt restauriert und ins Innere der Kirche verlegt worden. Die Magdeburger Volksstimme berichtete am 8.11.2016 über die Pressekonferenz von 7.11.2016, bei der der Epitaph in neuer Gestalt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde:

GEDENKSTEIN -Geschenk von Guerickes Vorgängern

Die Nachfahren einer der ältesten Familien Magdeburgs haben die Sanierung eines Gedenksteins in der Johanniskirche finanziert.

Von Stefan Harter

Magdeburg: In Magdeburg, der ursprünglichen Heimat ihrer alten Familie, lebt heute keiner mehr der von Alemanns. Aus dem nahen Wernigerode, aus Köln, Düsseldorf und sogar Brüssel sind sie aber trotzdem an die Elbe gekommen, um gemeinsam ihrer bis heute bestehenden Verbundenheit zur Stadt ihrer Ahnen Tribut zu zollen. Mindestens 250 Kilogramm schwer ist die Gedenkplatte, die sie am Montagvormittag in der Johanniskirche, in der Nähe des Turmaufgangs einweihen.

Mechthild von Alemann (r.) enthüllt mit ihrem Neffen Martin und Restauratorin Ulrike Wende den Epitaph eines frühen Vorfahren der alten Magdeburger Kaufmannsfamilie. Mit Unterstützung aus der Familienstiftung wurde dessen Sanierung bezahlt. Foto: Stefan Harter

Mechthild von Alemann und ihr Neffe Martin enthüllen den sogenannten Epitaph, der an ihren Vorfahren Thomas erinnert. „Er ist nun an einem guten Platz, es ist ein toller Tag für uns“, sagt die Vorsitzende der Familienstiftung. Dieter Scheidemann, als Vorsitzender des Kuratoriums für den Wiederaufbau der Johanniskirche und Vertreter der Stadt anwesend, nennt den restaurierten Epitaph „einen wichtigen Mosaikstein“ in der Stadtgeschichte. „Diese wird immer von den Bürgern und Familien geschrieben“, erinnert er.

Annette [Brandt von Lindau, mit einem Alemann verheiratet] hatte die Platte schon vor Jahren zufällig bei einem Spaziergang um die Johanniskirche entdeckt. Verschmutzt und unbeachtet hing das kleine Kinderabbild – Thomas starb laut Inschrift mit gerade einmal 15 Wochen – an der Außenwand. Das sollte sich ändern, fand sie.

Also traf sich die Familie, um gemeinsam zu entscheiden, wie geholfen werden kann. Denn seit 1999 gibt es die von Alemann’sche Familienstiftung, die sich der Förderung der Kultur und Tradition der Stadt Magdeburg verschrieben hat. Damals war festgestellt worden, dass im Grundbuch der Stadt Magdeburg noch zwei Grundstücke, ein Acker und ein Garten, auf die Familie eingetragen sind. Die von Alemanns entschieden sich, sie zu behalten und die Pacht daraus für gemeinnützige Zwecke zu nutzen.

Eine Nahaufnahme der Gedenkplatte für Thomas Alemann, der 1594 im Alter von nur 15 Wochen verstorben war. Foto: Stefan Harter

Bis jetzt wurden damit eher kleinere Projekte unterstützt. Doch mit den 8000 Euro, die für die Restauration der über 420 Jahre alten Platte gespendet wurden, haben die von Alemanns für „ihren Kleinen“ das bislang größte Projekt für Magdeburg realisiert. Diplomrestauratorin Ulrike Wende hatte die Arbeiten durchgeführt und dabei noch Neues entdeckt. Denn der bisher als Todestag vermutete 1. Mai entpuppte sich nach der Säuberung als 4. Mai, berichtet sie der Familie. Vermutlich war Thomas der Enkel des Pfarrers Fricke aus der damaligen Ratskirche, weil neben den Wappen der von Alemanns auch seines zu sehen ist.

Obwohl die von Alemanns auf die Geschichte der Stadt mit mindestens über 300 Jahren einen viel längeren Einfluss ausübten als Otto von Guericke, sind sie doch oft nur dafür bekannt, dass Margarethe von Alemann die erste Frau des berühmten Erfinders und Bürgermeisters der Stadt war. Seit dieser Zeit sind 25 bis 30 Generationen vergangen, schätzen die von Alemanns. Auch wenn die Geschichte der Familie bis ins Jahr 1281 zurückverfolgt werden kann, hat niemand von ihnen genau nachgezählt. Heute gehören noch rund 100 Mitglieder zur einstigen Magdeburger Familie.

Erbgegräbnis der Familien Alemann und Guericke

Im ausklingenden Mittelalter befand sich an der Nordwand von St. Johannis die Erbbegräbnisse der Familie WESTPHAL und ALEMANN. Der Bürgermeister Johann Martin Alemann (1654-1618) hatte dieses Erbbegräbnis einrichten lassen. Otto von Guericke kaufte das Erbbegräbnis der Familie von Alemann und beide Familien beerdigten hier ihre Verstorbenen. Es gilt auch als die letzte Ruhestätte von Otto von Guericke, dessen Sarg von Hamburg nach hier – so fand der Lokalhistoriker Walter Strüby heraus – überführt wurden (worüber seit dem Jahr 2017 wieder einmal gestritten wird).

Das Erbbegräbnis der Familien Alemann und Guericke – Bild des Kapellenanbaus an die Nordseite der Johanniskirche
Oberbürgermeister Polte spricht ein Grußwort zur Einweihung der Gedenkstätte

Obwohl die angebaute Kapelle nicht mehr existiert, wurde von der Otto-von-Guericke-Gesellschaft an ihrer Stelle eine Gedenkstätte eingerichtet, an deren Einweihung am 25.11.2000 auch Vertreter der Familie von Alemann teilnahmen (vgl. das Portrait von Philipp von Alemann).

Die Verbindung der Familie Alemann zur Johanniskirche dokumentiert auch der Epitaph von Tobias Kuno an der Vorderwand des Innenraumes, bei rechts oben in der Ecke das Alemann-Wappen zu sehen ist. Durch die Guericke-Gedächtnisstätte ist gerade hier in der Johanniskirche auch die Verbindung der Familie zu Magdeburg am  deutlichsten erkennbar.