Marie von Alemann (1881-1964)

Selbstportrait (Ölgemälde)

Im Herbst 2002 fand in Wernigerode (Harz) eine Ausstellung zum Werk der Malerin Marie von Alemann (1881-1964) statt. Marie war die Tochter von Hans (Dorus) von Alemann und die Schwester von Hans, Otto und Martin von Alemann. Wir veröffentlichen hier Auszüge aus dem Ausstellungskatalog „Malerie, Grafik, Zeichnungen – Marie von Alemann, Ausstellung in der Galerie ‚Angers Hof‘, Wernigerode“.

 

Der folgende Text des Ausstellungskataloges von Karl Heinz Anger wurde redaktionell leicht gekürzt. Wir danken Herrn Anger für sein Engagement und für die Erlaubnis, den Text zu veröffentlichen:

Herr Angerer erklärt dem Stiftungsvorstand die Technik der Allographie (v.l.n.r. Rolf-Heine v. Alemann, Dietrich v. Alemann, Erco v. Dietze, Karl-Heinz Angerer

 

Malerie, Grafik, Zeichnungen – Marie von Alemann

Lebensstationen:

1881          am 11.2. in Zerbst geboren
1885-1901  Seehausen (Altmark)
1901-1902  Naumburg
1902-1904  Dessau
1905-1910  Studium in Berlin
1910-1929  Berlin,Wilmersdorf
1929-1930  China
1930          Umzug nach Wernigerode
1964          am 5.8. in Wernigerode gestorben

Aligraphie (Aluminium Druck) aus der Berliner Zeit

Zu ihrem Leben

Es ist an der Zeit, dass die Künstlerin Marie von Alemann der Vergessenheit entrissen wird. Diese Exposition ist ohne das kunstinteressierte Engagement eines privaten Kunstfreundes, seines Kunsterzieherkollegen Günther Malucha, dem Amt für Schule, Kultur und Sport Wernigerode und der Befürwortung der Familie Alemann nicht denkbar.

Zum ersten Mal sind Werke aus dem Familienbesitz und von privaten Kunstsammlern öffentlich zu sehen. Einige sind in der Galerie ‚Angers Hof´ dem Besucher dauerhaft zugänglich gemacht. Diese Ausstellung erzählt die Geschichte einer Künstlerin. Ihre Gemälde, Grafiken und Zeichnungen helfen dabei. Das künstlerische Schaffen von Marie von Alemann ist untrennbar mit ihrem Lebensweg verbunden.

Marie von Alemann wurde am 11. Februar 1882 als Tochter eines Rittmeisters aus Seehausen in Zerbst geboren. Vier Brüder und eine Schwester gehörten noch zur Familie. Schon in ihrer Kindheit wurden ihre zeichnerischen Fähigkeiten entdeckt, außerdem die Begabung, mit Leichtigkeit Sprachen zu erlernen. Nach dem Tod des Vaters besuchte sie in Halle einige Monate ein Lehrerseminar. Um ihre Französischkenntnisse zu vervollkommnen, lebte sie ein halbes Jahr in Montreux, zweimal fuhr sie nach Italien, um sich auch hier Sprachkenntnisse anzueignen.

Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts begann sie in Berlin ihre künstlerische Ausbildung als Malerin. Ab 1910 arbeitete sie selbständig auf künstlerischem Gebiet. Sie wurde sogar Mitglied des Vereins Charlottenburger Künstler und beteiligte sich des öfteren erfolgreich an Ausstellungen.

Während des ersten Weltkrieges bestand sie das Dolmetscherexamen in Englisch und Französisch. In ihrer Freizeit war sie karitativ tätig. In der Inflationszeit, wo selten für künstlerische Arbeiten Interesse vorhanden war, stellte sie Nadelarbeiten her und verkaufte diese, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ab 1926 konnte sie sich wieder ganz ihrer Kunst widmen.

Im Frühjahr 1929 folgte sie einer Einladung ihres Bruders Otto nach Tsingtau, wo er als Kaufmann tätig war. Sie unternahm die große Reise mit der transsibirischen Eisenbahn. In China zeichnete sie und schuf Aquarelle und Gemälde. Mit dem Verkauf einiger Werke verdiente sich die Künstlerin eine mehrwöchige Reise nach Peking. Gegen Ende des Aufenthalts in Tsingtau wurde dort eine vielbewunderte Ausstellung gezeigt. Die Rückreise 1930 führte über Shanghai, den Suezkanal bis Bremen.

Nach der Chinareise lebte sie noch ein Jahr in Berlin und zog dann nach Wernigerode, wo sie Verwandte hatte und die Umgebung mit herrlichen Wanderwegen von früheren Besuchen kannte.

Marie von Alemann war kontaktfreudig, suchte und fand künstlerisch tätige Freundinnen, z. B. Fräulein Jeep als Malerin und Dolores Maaß als Musikerin aus Hasserode.

Das Leben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war für die unverheiratete Künstlerin nicht einfach. Freischaffend als Künstlerin und ohne feste Anstellung als Dolmetscherin, hat sie trotz allem versucht, ihr Leben zu meistern.

Zwei Weltkriege hat sie erlebt und zwei Nachkriegszeiten prägten ihr Leben.

In den schlechten Zeiten kam sie in abhängige Stellungen, mußte durch handwerkliches Können (Handarbeiten, Basteln von Spielzeugen, Laubsägearbeiten) und Sammeln von Fingerhutblättern für Apotheken überleben. Zum Malen kam sie in diesen Zeiten selten.

Trotz karger Einkünfte unterstützte sie noch notleidende Verwandte.

Marie von Alemann bewohnte vier verschiedene Wohnungen in Wernigerode. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie im Alten- und Seniorenheim ‚Am Langen Stieg‘. Eine Nachbarin kümmerte sich in den letzten Lebensjahren um die Künstlerin, half ihr und stand ihr nach ihrem Unfall auf der Friedrichstraße bei (ein Motorradfahrer hatte sie überfahren).

Am 5. August 1964 starb Marie von Alemann in Wernigerode. Ihr Nachlaß wurde an die Verwandtschaft, kunstinteressierte Feunde, Bekannte und Nachbarn aufgeteilt und damit zerstreut.

Aquarell aus der Zeit in China

Werkbeschreibung

Die Werke der Künstlerin lassen sich in drei verschiedene Zeitepochen einordnen, in die Berliner Zeit, in die Chinaimpressionen und in die Wernigeröder Jahre.

Berliner Zeit

Die Studienjahre in Berlin legten den Grundstein für ihr künstlerisches Schaffen. Handzeichnen nahm einen wichtigen Platz ein, sie nahm die Natur zum Vorbild, arbeitete realistisch und trennte das Wesentliche vom Unwesentlichen. Darüber hinaus war sie bemüht, sie zu abstrahieren.

Das Porträtzeichnen war ebenfalls Unterrichtsfach, wovon einige noch vorhandene Kohlezeichnungen beredtes Zeugnis ablegen. Ihr Bildnisschaffen rückte in der Berliner Zeit in die vordere Reihe. Diese Porträts sind psychologisch zu deuten und beziehen sich auf konkrete Personen.

Die Malerin läßt Raum für sehr persönliche Interpretationen und gibt dem Betrachter die Möglichkeit, einen Menschen aus ihrer Sicht kennenzulernen. Die Ausstellung zeigt signierte und datierte Porträts in der Technik der Kohlezeichnung aus den Jahren 1906 – 1910.

Ungefähr ab 1918 arbeitet die Künstlerin in der Technik der Algraphie. Dabei handelt es sich um Aluminiumdruck, einem Flachdruckverfahren mit Aluminiumplatten statt Lithographiesteinen. Dadurch ist eine direkte Bearbeitung der Platten möglich. Ihre Druckgrafik ist thematisch der Landschaft gewidmet, ihre Lust am Zeichnen kommt hier besonders zum Ausdruck.

Diese Algraphien verdienen als Landschaftsblätter eine besondere Beachtung, sie sind poetisch konzipiert und verdeutlichen ihre Liebe zur Natur. Die Künstlerin gestaltet realitätsnah Erinnerungen an das Gesehene. Ihre Bildsprache ist verständlich, die künstlerische Qualität ist auf das Innigste mit der Persönlichkeit der Künstlerin verbunden.

Die farbigen Arbeiten (mit Tonplatten unterlegt) zeichnen sich durch einen harmonischen Farbklang aus. Sie verwendet oft sandfarbige Töne. Die Spezifik dieser Grafik liegt im Kontrast von hell und dunkel.

Da die Landschaften im Umfeld Berlins grafisch gestaltet wurden, fehlen Berge der Mittel- und Hochgebirge. Die Horizonte liegen in dieser Schaffensperiode deshalb recht tief.

Chinaimpressionen

Vollkommen neue Eindrücke gewann die Künstlerin während ihrer Chinareise. Ihre Aquarelltechnik führt hier zu einer neuen Qualität, zu einem tiefen Verständnis zu den Schönheiten fremdländischer Natur.

Sie machte für den Betrachter die Landschaft sichtbar, verdichtete Gesehenes und Erkanntes zu bestimmten Spannungsfeldern. Sie verwendet intensive und leuchtende Farben als Ausdruck ihrer Sinnes- und Lebensfreude, gibt die Zustände des Lichtes und der Atmosphäre wieder. Ihre Bildkompositionen sind klar verständlich und dazu auch gut durchdacht.

Die Redaktion merkt an: Von den wohl noch erhaltenen Chinabildern (Aquarelle) war kaum etwas in der Ausstellung zu sehen. Daher können sie an dieser Stelle nicht beschrieben werden.

Wernigeröder Jahre

Der Umzug der Künstlerin von Berlin nach Wernigerode wirkte sich äußerst negativ auf ihre künstlerische Entwicklung aus. Wernigerode hatte nicht den Stellenwert eines Kunstzentrums einer Großstadt.

Es fehlte der geistige Austausch mit Künstlerkollegen, die Beteiligung an Ausstellungen, der Vergleich mit Werken nationaler und internationaler Künstler und die Möglichkeit, in Werkstätten ihre verschiedenen grafischen Techniken zu drucken. In Wernigerode entstanden nun keine Algraphien mehr, keine Radierungen, keine Flach-und Hochdrucke. In Wernigerode erlebte sie die Vor-, Kriegs- und Nachkriegszeit, die sich ebenfalls nicht förderlich auf ihr Schaffen auswirkte. Es entstanden in dieser Zeit ausschließlich Blumengemälde.

K.-H. Anger

Kinderportrait (Kohlezeichnung)

Widmung

Mein Dank für die Vorbereitung der Exposition gilt folgenden Familienmitgliedern, die Erinnerungen über das Leben der Künstlerin mitteilten und Gemälde, Aquarelle und Grafiken leihweise zur Verfügung stellten:

Ehrengard Müller, geb. v. Alemann, Berlin
Friedrich von Alemann, Wernigerode
Hans-Heine von Alemann, Meerbusch
Marianne von Alemann, Lemgow
Philipp von Alemann, Augsburg
Rolf von Alemann, Wernigerode
Walter von Alemann, Kirchlengern
Erika Hanken, geb. v. Alemann, Wardenburg
Cornelia Voß geb.von Alemann, Elend