Tagungsband

Fachtagung vom 10./11. 11. 2005
und die „Tagungsbände“ zu den Magdeburger Centurien

 

Am 10./11. November des Jubiläumsjahres 2005 fand eine Fachtagung zum Thema „Magdeburger Centurien“ im Rathaus am Alten Markt statt. Sie wurde vom Stadtplanungsamt ausgerichtet, das zahlreiche Referenten zu diesem bisher vernachlässigten Thema geladen hatte. Die wichtigsten waren Prof. Martina Hartmann aus München, die als Kuratorin der gleichzeitigen Ausstellung in der Universität und als Mitarbeiterin der Monumenta Germaniae Historica, der großen Bibliothek in München eine ausgezeichnete Einführung zu diesem Thema gab, sowie Dr. Günther Korbel, der mit seinem universalhistorischen Kurzüberblick einen Vorgeschmack zu den Bänden 2 und 3 der „Tagungsbände“ gab, die in den Folgejahren veröffentlicht wurden.

Aus einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung zur Veröffentlichung der Bände 1 und 2 heißt es:

Magdeburg, 18. April 2007

„’Mit diesem Werk hat die Landeshauptstadt Magdeburg einen Schatz zurück, einen Schatz, der in Europa seinesgleichen sucht‘, würdigte Magdeburgs Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper heute die Neuauflage der Magdeburger Centurien. Diese kirchliche Historiographie begründete im 16. Jahrhundert eine neue Form der Geschichtsschreibung. Zusammengestellt nach der Belagerung von 1550/51 sind die Centurien ohne Zweifel das bedeutendste Geschichtswerk über Magdeburg aus der Reformationszeit. Der Verlag Janos Stekovics hat die zweibändige Chronik jetzt neu herausgegeben.“

Titelblätter der drei Bände

Ein „Geschichtswerk über Magdeburg“ sind die „Magdeburger Centurien“ sicher nicht. „Ein Schatz, der in Europa seinesgleichen sucht“, das trifft sicher zu. Vorgelegt wird aber vor allem ein Werk, das weit über das auf einer Tagung im November 2005 Vorgetragene (Band 1)  hinausgeht. Es gibt jetzt endlich ein Werk, das das wichtigste Magdeburger Buchprodukt der Reformationszeit anmessend würdigt und es tut dies darüber hinaus auf eine sehr originelle und zeitgemäße Weise. Der umfangreiche Band II mit Günter Korbels „universalgeschichtlichen Betrachtungen im Sinne einer Weltchronik“ ist alles andere als eine Neuedition oder eine Neuübersetzung des alten Textes.

Bei der paralellen Veröffentlichung der Bischofs- und der Sachsenchronik mag dies der Fall sein. Alle drei Projekte sind eine Initiative des Stadtplanungsamtes. Das Centurienbuch ist aber am wenigsten durch wissenschaftliche Akribie einer reinen Editionsarbeit bestimmt. In ihm spürt man vor allem eine persönliche „Leidenschaft“, gepaart mit profunder Sachkenntnis und einer wirklich globalen Weltsicht.

Band I enthält wesentlich erweiterte Tagungsbeiträge, so u.a. eine umfangreiche Arbeit über die Geschichte der Stadtplanung und Stadtarchitektur. Band II beinhaltet dann die eigentliche Überraschung: so etwas wie eine „Neuerfindung des alten Textes“, die manche Leser vielleicht irritieren wird. Insbesondere die, die hofften, den lateinischen Text der „Magdeburger Centurien“ hier in einem möglichst verständlichen Deutsch lesen und mit Hilfe eines großen wissenschaftlichen Apparates besser begreifen zu können. Doch der Text hält sich nur locker – nur der Form nach – an die Vorlage und liefert eine ganz und gar neue Darstellung der Religions- und Weltgeschichte aus heutiger Sicht.

Daß das Stadtplanungsamt den Berufs- und Universitätshistorikern noch ein wenig Arbeit übrig gelassen hat, mag diese ärgern oder freuen. Für das breite Publikum ist das vorgelegte Werk aber sicher umso interessanter. Der Autor ist Kenner und Liebhaber der Geschichte des alten Orients. Dr. Günter Korbel vermittelt dem Leser daher einen tiefen Einblick in die originale Lebenswelt der Zeit von frühem Christentum bis zur frühen Neuzeit, einer Welt, deren Zentrum im ersten Jahrtausend im Orient lag: Palästina, Syrien,  Ägypten, Iran, Irak und Anatolien, eine Welt, deren Schnittpunkt zu Europa man im ersten Jahrtausend der Christenheit am Bosporus und seit Anfang des 2. Jahrtausends in Sizilien und Spanien zu suchen hat.

Nicht zufällig endet das Buch so mit einem wunderschönen Bildessay über Anatolien und einem Ausblick auf eine europäische Union, die wieder mit diesem Orient vereint ist. So ist dieses Werk kein reines Fachbuch, auch keine „Neuauflage“ eines alten Textes der Reformationszeit. Es ist ein heute hochaktuelles Geschichtsbuch, das sich vom alten Text inspieren läßt, ein Buch, dem eine breite Leserschaft wünschen ist, eine Leserschaft, die weit über den Kreis von Fachleuten und Spezialisten hinausgeht. Vielleicht ist es sogar hier und da ein wunderschönes Konfirmationsgeschenk für diesen oder jenen geschichtsinteressierten Schüler – nicht nur aus Magdeburg.

Mit einem Preis von 48 EUR ist die zweibändige Ausgabe wirklich günstig zu erwerben. Im Jahr 2014 ist der 3. Band erschienen, indem Günter Korbel auch die Jahrhunderte bis zu unserer Zeit darstellt.